Nachdem bereits
der erste Teil meiner Nachbetrachtungen – da ging's um den
Scars-Block – zu verschiedenen Kommentaren geführt hat, möchte ich – bevor wir heute mit
Magic 2012 weitermachen – noch einmal kurz klarstellen, was die Idee hinter der ganzen Geschichte ist.
Wie wir gerade wieder merken, sorgt das Erscheinen einer neuen Edition für eine Flut von Previews, Deckideen und ganz allgemein Erwartungen. Im Laufe der Wochen und Monate relativieren sich diese und von der anfänglichen Euphorie bleibt nicht mehr viel übrig. Meine Aufgabe ist es jetzt, einen Rückblick zu wagen und dabei ganz besonders auf die wichtigsten Mechaniken und Einzelkarten einzugehen. Das „wichtig“ bezieht sich dabei nicht automatisch auf die Bedeutung im Constructed, sondern in erster Linie im Hinblick auf Themen der Edition sowie den ausgelösten Gesprächsstoff im Vorfeld. Das bedeutet, dass etwa flashige Mythics (diverse Planeswalker) mehr von Interesse sind, als die eine oder andere Common, die vielleicht längere Zeit in Turnierdecks verbracht hat (zum Beispiel
Doom Blade).
Des Weiteren weise ich euch darauf hin, dass bei allen Nachbetrachtungen auch ein subjektives Element enthalten ist. Zwar kann ich objektiv beurteilen, ob eine Karte (erfolgreich) gespielt wurde oder wie sich ihr materieller Wert entwickelt hat, inwiefern das aber „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten ist, darf heute ganz allein ich entscheiden – obwohl ich natürlich versuchen werde, meine Meinung zu begründen.
Okay, ohne weitere Vorrede also direkt hinein ins Hauptset des vergangenen Jahres,
Magic 2012!
1. Bloodthirst
Nachdem sich Wizards entschieden haben, jedes Jahr eine andere Fähigkeit ins Hauptset zu stecken, war in
M12 das ultraaggressive Bloodthirst an der Reihe. Leider merkte man das eigentlich nur im Draft, dessen frühe Interaktionen deutlich gesteigert wurde, mit im Ergebnis höherem Tempo. Im Constructed gab es in Form von
Stormblood Berserker ziemlich genau eine spielbare Karte, was deutlich macht, dass die Eigenschaft nicht wirklich gepusht wurde. Schade eigentlich, da ich sie doch erstaunlich komplex für die vergleichsweise einfache Wirkungsweise halte. So gibt es sowohl beim Deckbau als auch beim Spielen selbst diverse interessante Entscheidungen zu treffen, etwa ob man einen scheinbar schlechten Block macht, um das Eintreten von Blutdurst zu verhindern oder welche billigen Deppen man integriert, um ebendieses zu gewährleisten beziehungsweise zu verhindern.
Mit lediglich zehn Bloodthirst-Karten insgesamt (von denen auch noch zwei Mythic Rare waren) traten diese Überlegungen selbst im Limited nicht zu oft auf und deshalb wird man sich sicher nicht sonderlich lange an
M12 als Bloodthirst-Set erinnern. Die Constructed-Unfähigkeit hing übrigens hauptsächlich mit der Schwäche der Karten selbst zusammen. Die meisten waren selbst mit erfolgreichem Blutdurst noch zu schlecht und diesen zu erreichen ist in einer Tempoumgebung mit Unmengen an – zum Teil farblosem – Removal nun auch wirklich nicht garantiert.
2. Die Planeswalker
Wie schon mehrfach deutlich gemacht sind diese mittlerweile mit die wichtigsten Karten einer jeden neuen Edition. In
M12 entschied man sich, die zu Klassikern gewordenen
Lorwyn-Planeswalkern durch eine Mischung aus völlig neuen und alten Bekannten zu ersetzen. Die beiden Veteranen waren dabei
Gideon Jura und
Sorin Markov. Sorin mag ich durchaus, da er all die Dinge verkörpert, die ich an Planeswalkern schätze (und die ihr mittlerweile kennen solltet): Recht schwer zu wirken und dadurch nicht einfach in jedes Deck zu werfen, in der Anwendung recht speziell, aber auf jeden Fall beeindruckend. Hin und wieder erblickte er sogar das eine oder andere Deck von innen, insbesondere mit seiner ganz eigenen
Rache, die mit ihm zusammen für den vielleicht elegantesten Kill des Formats sorgen konnte. Gideon wiederum ist eine etwas andere Geschichte. Er ist schon sehr flexibel und in seiner Wirkung für manche Decks kaum zu besiegen. Andere Gegner wiederum können Gideon einfach ignorieren oder halt das Random Removal draufwerfen, weil er gegen kreaturenarme Feinde nicht viel mehr ist als ein ordentlicher Mann für fünf Mana. Deswegen bin ich auch ziemlich froh, dass er das Standardformat verlässt.
Noch spannender als diese beiden war aber die Frage, was genau die neuen Inkarnationen von Jace, Chandra und Garruk so auf die Beine stellen könnten. Die Erwartungen waren gewaltig und drückten sich in beeindruckenden Vorverkaufspreisen aus. Bestätigen konnte diese keiner der drei, am ehesten noch
Garruk, Primal Hunter, der zumindest eine Randerscheinung im Standard darstellte. Den tiefsten Fall machte
Jace, Memory Adept mit, der vom neuen Heilsbringer zur soliden Sideboardkarte herabgestuft wurde. In dieser Form würde ich übrigens gern auf ihn verzichten, was jedoch an seiner Präsenz im Limited liegt. Dort gewinnt er nämlich nicht nur den Großteil der Spiele, in denen man ihn auf den Tisch legt, sondern tut dies auch noch auf eine extrem uninteraktive Art und Weise, durch die ein beachtliches Frustpotenzial aufgebaut wird. Ansonsten mag ich sie allesamt, auch
Chandra, the Firebrand, weil sie gerade gut genug sind, um in ganz spezielle Decks zu wandern und dort das eine oder andere echt Beeindruckende zum Spiel beizutragen, ohne aber stupide zu erscheinen.
3. Die Titanen
Neben den Planeswalkern war eine der spannendsten Fragen im Vorfeld von
M12, ob die fünf Titanen zurückkommen würden. Sie kamen und waren weiterhin so dominant wie gewohnt. Man kann sich jetzt trefflich darüber streiten, ob es gut ist, dass man überhaupt einmal einen spielbaren 6-Drop im Format hat, oder ob diese einfach die Diversität zerstören. Wahrscheinlich ist schlicht beides richtig.
So stellt sich jetzt in den nächten Wochen plötzlich (und zum ersten Mal seit Jahren) die Frage, welcher Finisher die Manakurve beendet. Gleichzeitig muss man aber überlegen, ob dieser gut genug für all das Mana ist, was man in ihn steckt.
4. Die Doppelländer
Ihr wisst, ich mag die
M10-Länder und insofern freue ich mich ungemein, dass sie in
M13 wiedergekommen sind. Manastabilität ist wichtig für sämtliche Formate, da man ansonsten eins der beiden folgenden Szenarien riskiert:
1) |
Geringe Vielfalt gespielter Decks, da man farblichen Einschränkungen unterliegt, dadurch vergleichsweise wenige Kombinationsmöglichkeiten hat, oder
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2) |
viele Spiele werden von Manaproblemen entschieden.
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Das alleine reicht jedoch nicht, um mir mehrfarbige Länder sympathisch erscheinen zu lassen. Im Gegensatz zu vielen anderen der neueren Versuche, sind die
M10-Länder vom Powerlevel her nicht ohne Nachteil und das ist meines Erachtens auch gut so. Wenn man sich zum Beispiel die bisher gespoilten Karten aus
Return to Ravnica anschaut, erkennt man einen gewaltigen Unterschied zwischen einfarbigen und mehrfarbigen Karten. Die mehrfarbigen sind einfach massiv besser. Dazu kann man stehen, wie man will, Fakt ist, Mehrfarbigkeit wird eigentlich als Nachteil angesehen. Gibt es jetzt einen Überschuss an superguten Ländern, wird das obselet und wir spielen alle zu billige Karten, die eigentlich dadurch balanciert sein sollen, dass sie höhere Farbanforderungen besitzen.
5. Birds of Paradise
Stellvertretend für all die
Grim Lavamancer,
Honor of the Pure,
Day of Judgment,
Solemn Simulacrum und so weiter stellen die Paradiesvögel einen echten Klassiker dar, der auch heute noch supergut ist. Natürlich gibt es den einen oder anderen Ersatz, keiner wird jedoch diese Kombination aus Stärke und einfacher Eleganz der Originale erreichen.
Der Wegfall dieser Karten wird jeweils verschiedene Decktypen treffen und somit werden sie nicht allein von Nostalgikern wie mir vermisst werden und können entsprechend als Erfolg bezeichnet werden.
6. Die Kaiserreiche
Krone,
Szepter und
Thron braucht ein Kaiserreich, das gilt nicht nur in der Geschichte, sondern ebenso bei unserem Lieblingskartenspiel. Denn, wenn wir mal ehrlich sind, alleine macht jedes dieser Artefakte deutlich zu wenig. Zusammen jedoch gewinnen sie tatsächlich den Großteil der Spiele und motivieren entsprechend, es doch einfach mal zu probieren. Das Problem dabei liegt in der Rarität, denn für Constructed ist das alles offensichtlich zu schlecht, weil die Einzelteile furchtbar sind. Somit bleibt der Plan, das Kaiserreich zu besitzen, dem Limited vorbehalten, wo man aber die Trinität zweier Uncommons und einer Rare im Deck benötigt. Keine Ahnung, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass alle drei überhaupt an einem Tisch geöffnet werden (ein Tipp: überschaubar), man muss sie auch noch bekommen (nicht zu wahrscheinlich, da zum Beispiel der Thron durchaus einen soliden Pick darstellt) und dann ungehindert wirken. Viel Glück dabei.
Insofern würde ich das Projekt als gescheitert ansehen. Es gaukelt den Spielern eine Möglichkeit vor, die so nicht wirklich besteht und führt damit zu frustrierenden Erfahrungen. Hinzu kommt, dass ich die ganze Idee einer offensichtlichen Kombination nicht mag. Ich meine, in
Magic gibt es so viele Synergien und Kombinationsmöglichkeiten, dass man sich nun wirklich nicht noch eine auf die Karten schreiben lassen muss.
7. Celestial Purge, Flashfreeze & Co.
Der Verlust dieser Sideboardkarten bedeutet das Ende einer Ära. Seit
Alpha-Zeiten kann ein Magier mit Sideboard sich besonders gegen Feindfarben rüsten, doch ab jetzt muss es heißen „konnte“. Angefangen bei übertrieben einflussreichen
Schutzkreisen,
Chill,
Gloom und wie sie nicht alle hießen, die für bestimmte Decks gar nicht zu besiegen waren, hatte man mit diesen Fünfen deutlich angenehmere Zauber gedruckt. Das ist auf jeden Fall positiv, weil jeder, der mal eine der zuerst genannten Karten (und es gibt noch einige mehr) abbekommen hat, gemerkt haben dürfte, dass das nicht mehr wirklich faire Gegenmaßnahmen waren.
Dass es jetzt gar nichts Farbspezifisches mehr gibt, finde ich ein bisschen schade, da man so ein Merkmal des magischen Farbrads weniger spürt. Zumal diese Inkarnationen ja nun wirklich weit weg sind von den Spielverderbern vergangener Zeiten. Stattdessen gibt es jetzt eher Hasskarten, die auf spezifische Strategien abzielen, etwa den Friedhof entfernen, nicht gecountert werden können und mit Hexproof ausgerüstet dem Removal die lange Nase zeigen. Das Ganze bietet den Vorteil, effektiver anwendbar zu sein, allerdings fehlt ein bisschen der Flavor, den man immer dann spürt, wenn
Hydroblast und
Pyroblast einander um die Ohren geflogen kommen …
8. Timely Reinforcements
Schon im Vorfeld als Tod aggresiver Decks angesehen setzte diese Karte das nahezu vollständig in die Tat um.
Eine Vielzahl Reinforcements mit offensiven Karten zu besiegen, war nahezu unmöglich, was ein ziemlich gutes Zeichen dafür ist, dass sie besser nicht noch einmal wiederkommen sollten. Nicht weil ich so ein großer Fan des gepflegten Beatdowns bin, sondern weil sie im Alleingang dafür gesorgt haben, dass multiple Archetypen quasi unspielbar waren. Natürlich muss es Stoppschilder für die Aggromagier geben, aber das war dann doch zu deutlich.
9. Mana Leak & Ponder
Diese beiden erwähne ich im Doppelpack, da sie es ernsthaft geschafft haben, bei einer Diskussion um mögliche Kandidaten für ein Verbot im Standard weit vorne genannt zu werden. Natürlich könnte man jetzt zunächst überprüfen, was die wirklich unfairen Karten im
Delver-Deck sind, aber ich befürchte, stattdessen werden wir einfach auf absehbare Zeit keinen vernünftigen Gegenzauber mehr sehen – oder aber es steht auf noch mehr Karten, dass sie nicht neutralisiert werden können. Das ist durchaus schade, da so ein bisschen Kontermagie dem Spiel ziemlich guttut, indem es einem Wettrüsten entgegenwirkt. Zeitgleich ist es eine höchst interaktive Form des Spiels, was ich meist begrüße, weil sich ebendieses so erst aufbaut. Schließlich beteiligen sich normalerweise zwei Spieler an einem solchen.
Mana Leak war darüber hinaus in meinen Augen gelungen, keineswegs unfair gut und konnte sogar zu interessanten Spielsituationen führen, in denen man zum Beispiel überlegen konnte, inwiefern man es umspielt.
Ponder wiederum ist zweifellos supergut, aber ebenfalls nicht wirklich unfair, dabei immer hochgradig fordernd. Aber wie gesagt, wenn man eben die 3/2-Flieger (oder dieses Flash-
Coral Merfolk mit der lustigen Fähigkeit) druckt und für gut befindet, muss eben alles andere herum richtig schlecht sein, sonst sieht ja jeder, wie bescheuert das ist.
10. Sundial of the Infinite
Zum Abschluss noch eine Karte, die einfach nur durch die Skurilität ihres Textes berüchtigt geworden ist: „End the turn.“ Zugegeben, das klingt schon ziemlich cool und in der Theorie fallen mir auch einige spektakuläre Kombinationen damit ein. In der Praxis wurde jedoch schnell deutlich, dass dies nie ernsthaft funktionieren wird. Insofern ist es ziemlich bemerkenswert, wie lange diese Sonnenuhr einen beachtlichen Preis erzielte.
Im Gegensatz zu dem Kaiserreich-Trio stehe ich dieser Art von Karte übrigens durchaus positiv gegenüber. „End the turn“ klingt wie gesagt ultracool, mit ein bisschen Phantasie findet man dann auch einige Synergien mit anständigen Karten und kann somit zumindest in nicht allzu ernster Umgebung hin und wieder tatsächlich das machen, was man sich vorgestellt hat.
So weit also
M12. Insgesamt gesehen sind solche Hauptsets immer ein wenig schwieriger in der Gesamtheit zu bewerten als ein kompletter Block, da ihnen einfach die Identität fehlt. So wird in fünf Jahren wohl keiner mehr den Unterschied von
M12 zu
M11 kennen. Wirklich beeindruckende Einzelkarten gibt es auch nur im überschaubarem Rahmen – zum Beispiel
Phantasmal Image – sodass wir uns wohl am ehesten der Titanen erinnern werden, die hier zum letzten Mal in Boostern warten konnten. Für mich wären insbesondere die gelungenen Reprints erwähnenswert.
Grim Lavamancer oder
Solemn Simulacrum habe ich schon angesprochen, aber auch
Smallpox,
Rites of Flourishing oder natürlich die
Goblingranate sind sehr schöne Karten, mit denen man immer wieder bestimmte Decks verfeinern kann, ohne dass sie viel zu gut oder schlecht sind.
Ab der nächsten Woche lassen wir dann die Vergangenheit ruhen und kehren stattdessen nach Rav
nica zurück und schauen mal, was es dort Neues gibt.
Bis dahin
Der MiDi
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