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Intermizzit
von Michael Diezel
25.10.2012

Wenn man Niv-Mizzet, Dracogenius mit seinen Gildenchefkollegen vergleicht, fällt recht schnell auf, dass er vergleichsweise geradlinig daherkommt. Damit meine ich nicht, dass er einfach in jedes Deck geworfen werden kann, welches blaues und rotes Mana hat, aber im Gegensatz zu Trostani, Rakdos und Co. benötigt man auch nicht wirklich ein spezielles Setup oder gar eine ausgeklügelte Gesamtstrategie, um ihn spielbar zu machen.

Doch schauen wir uns den Drachen des Vertrauens zunächst genauer an:


Wir sehen ein Musterbeispiel einer recht teuren Kreatur, die dafür zuverlässig die Spiele gewinnen sollte, in denen man sie legen und dann ein- bis zweimal – mit ihr im Spiel – enttappen kann. Nivs Kampfwerte sind anständig, wenn auch für die heutige Zeit nichts Besonderes mehr. Tatsächlich sind beide Zahlen sogar ein wenig unglücklich, was an zwei Karten liegt, die euch bei Standardturnieren derzeit häufiger begegnen könnten:


Der Charm sorgt nämlich dafür, dass man sich des Öfteren einen Stärkepunkt weniger wünschen würde, den man wiederum hinten gut gebrauchen könnte, um den allgegenwärtigen Thragtusk zu blocken. Aber letztendlich haben wir Niv-Mizzet ja auch nicht wegen seiner Kampffertigkeit im Deck, sondern aufgrund der durchaus ansehnlichen Fähigkeiten. Diese erlauben es ihm, gleichzeitig das Schlachtfeld des Gegners zu kontrollieren und dezimieren sowie beachtlichen Kartenvorteil zu erwirtschaften. Wie wir in den letzten Wochen gelernt haben, ist die Auswahlmöglichkeit für uns als Beherrscher gleichzusetzen mit erhöhter Flexibilität, was immer ein lohnendes Plus darstellt.

Wir fassen also Niv-Mizzet, Dracogenius folgendermaßen zusammen: solider Spielbeender, der umso besser wird, je mehr Mana zur Verfügung steht. Der letzte Teilsatz soll uns noch kurz weiter beschäftigen. Dass der Drache von zusätzlichem Mana profitiert, sollte offensichtlich sein. Dies gilt sowohl für die Situationen, in denen er frei zur Entfaltung kommt und somit mehr herumballern kann, als auch in den Momenten, wenn es darum geht, Niv-Mizzet zunächst auf den Tisch zu bekommen. Sechs Mana ist nämlich durchaus ein Happen und im Idealfall möchte man dann noch direkt loslegen, Karten zu ziehen, damit sich selbst bei einer direkten Antwort des Gegners noch etwas auf der Habenseite verbuchen lässt.

Das Problem hierbei ist, dass Blau und Rot nicht unbedingt für ihre zeitige Manaentwicklung bekannt sind. Die interessantesten Möglichkeiten sind noch Artefakte wie Izzet Keyrune (leider die schlechteste dieses Zyklus) oder Gilded Lotus. Alternativ müsste man auf Grün zurückgreifen, um in den Genuss von Farseek und vergleichbaren Beschleunigungssprüchen zu kommen. Okay, so richtig viele weitere gibt es aktuell gar nicht, am ehesten wahrscheinlich noch Ranger's Path, wobei dort bislang die Gilden Gruul und Simic mit ihren entsprechenden Ländern fehlen. Stattdessen werden wir auf unser Glück vertrauen und damit auf das eine oder andere Mirakulum:


Temporal Mastery erfüllt in einem Rampendeck zwei Aufgaben: Mirakuliert man früh hinein, erhält man die Möglichkeit, im zusätzlichen Zug ein zusätzliches Land zu spielen, und später gibt es kaum effektivere Möglichkeiten, sein Mana zu nutzen, als einen Extrazug zu generieren, in dem man all die superguten Karten ein weiteres Mal verwenden kann.

Apropos supergute Karten. Davon gibt es derzeit ja eine ganze Menge und kaum ein Deck kann so viele davon spielen wie wir mit diesem Ansatz:


Die beiden blauen Planeswalker habe ich einfach mal zusammengenommen, da sie so ein unzertrennliches Pärchen abgeben. Der Grund ist offensichtlich: Ihre jeweiligen defensiven Plusfähigkeiten ergänzen sich optimal. Hilft Jace etwa besonders im Kampf mit Kreaturenmassen, kann Tamiyo eine einzelne besonders ansehnliche Bedrohung komplett aus dem Spiel nehmen. In diesem Duett gefallen sie mir dann auch besser als Garruk Relentless, der trotzdem eine sehr starke Karte bleibt, die man jederzeit einbauen kann. Mir selbst wird zwar am Ende der Platz fehlen, aber falls ihr Gegner erwartet, gegen die Garruk zu Höchstform aufläuft oder einfach nicht genug Jaces besitzt, könnt ihr problemlos auf den grünen Planeswalker umschwenken, ohne euch zu sehr schämen zu müssen.

Ein Hinweis noch zu sämtlichen Planeswalkern: Sind sie schon grenzwertig kaputt, wenn sie immer im Wechsel mit dem Gegner zum Zug kommen, wird es richtig albern, falls es gelingt, Temporal Mastery zu wirken, während einer auf dem Tisch liegt.


Und noch ein Mirakulum. Bonfire hat die vielleicht höchste Varianz aller Karten, die man im Standard aktuell nutzen kann. Von „macht nichts“ bis „gewinnt das Spiel“ ist alles drin. Da wir mit Temporal Mastery bereits einen weiteren Mirakulumsspruch haben, können wir jetzt darüber nachdenken, langsam, aber sicher Karten hinzuzufügen, die ein solches positives Ereignis begünstigen, zum Beispiel spontane Kartenzieher. Durch Think Twice etwa erhält man im Zug des Gegners eine weitere Möglichkeit, ein Wunder zu (be-)wirken.

Die Alternative zum Bonfire wäre übrigens Mizzium Mortars. Weniger spektakulär, dafür überaus solide, gilt hier Ähnliches wie bei den Planeswalkern. Wer entsprechende Gegnerdecks erwartet oder schlichtweg kein Feuer hat, kann hier ohne gewaltigen Qualitätsverlust Veränderungen vornehmen. Die Decks, gegen die man eher die Mortars möchte, sind übrigens hauptsächlich an der Farbe Grün zu erkennen. Von denen bekommt man nämlich des Öfteren schon zeitig etwas Beachtliches vorgesetzt (beispielsweise Loxodon Smiter), was im Idealfall direkt beantwortet sein will. Ebenfalls zum Steigern des Ansehens von Mizzium Mortars trägt folgender Kollege bei:


Der Magier hat potenziell ganz starke Auftritte in diesem Deck: Zusatzbeschleunigung über Farseek oder doppelte Kreaturenzerstörung gegen aggressive Decks. Die Betonung liegt jedoch auf „potenziell“, da es so viele Karten zum Backflashen dann doch nicht gibt und manche davon gegen bestimmte Gegner auch uninteressant sind, etwa Pillar of Flame gegen Kontrolle. Deshalb – und weil der Platz wie schon mehrfach betont echt knapp ist – verzichten wir diesmal, behalten ihn jedoch dauerhaft im Hinterkopf.


Thragtusk hatte ich euch ja schon vor Monaten ans Herz gelegt (und wer mir damals vertraut hat, dürfte sich nicht beschweren …), sie ist aber eigentlich auch zu gut, um wahr zu sein. Vor allem weil diese Aussage für nahezu jeden Gegner gilt. Aggressiver Feind? Fünf Leben und ein doppelter Blocker sollten helfen. Defensiver Feind? Die fünf Leben sind mehr oder weniger egal, zwei beachtliche Bedrohungen in einer Karte schon viel weniger.


Das sind also die Karten, mit denen wir das Spiel dominieren wollen. Über Think Twice habe ich schon kurz gesprochen und es hauptsächlich als Mirakulumsinitiator beschrieben. Neben dieser Aufgabe hält dieser unscheinbare Zauber allerdings auch den Rest des Decks mehr oder weniger zusammen:

in Zug 2 als Karte der Wahl, falls man mal wieder kein Farseek gezogen hat
als Quelle von quantitativem Kartenvorteil (Aus einer Karte machen wir zwei.)
zur Sicherstellung von frühen Landdrops (Damit meine ich die Sicherheit, möglichst lange ein Land legen zu können, was elementar bei einem solchen Deck ist. Think Twice hilft dabei, indem man das Deck quasi verknappt, das heißt, gefühlt weniger Karten spielt und somit die Länderquote erhöht.)

Die übrigen Plätze im Deck gehen dann an defensive Karten. Dies ist notwendig, weil die wirklich aggressiven Decks eben wirklich Druck machen können und wir nicht ständig umfallen wollen, bevor wir mit unserem Konstrukt endlich loslegen können. Hierfür spielen je vier Exemplare von Pillar of Flame und Izzet Charm mit. Pillar of Flame wird dabei besonders für den integrierten Exilierungseffekt geschätzt, der vor allem gegen Zombies wichtig ist, um Karten wie Gravecrawler oder Geralf's Messenger möglichst elegant zu beseitigen. Izzet Charm wiederum bietet eine unglaubliche Flexibilität. Neben dem Abrüsten kleinerer Männer kann man an wichtigen Stellen große (oder kleine) Sprüche des Gegners neutralisieren und im späteren Spiel, wenn mitunter beide Optionen wenig verlockend aussehen, lassen sich unnütze Karten wie überschüssige Länder oder Kreaturenzerstörer, die keine Ziele finden, in neuen Treibstoff umwandeln.

Jetzt benötigen wir bloß noch die Länder, um all das tatsächlich spielbar zu machen. Die Auswahl der Quellen farbigen Manas ergibt sich fast von allein, interessanter dürften die beiden Bonusländer sein, die nur farbloses Mana bereitstellen:


Jeweils eins reicht gleich aus mehreren Gründen. Zunächst will man nahezu nie zwei ziehen und dann verkraftet ein Deck, welches massiv dreifarbig ist, auch nur eine bestimmte, nicht sonderlich große Anzahl solcher Länder. Die beiden erfüllen aber ihren Zweck und sollen daher nicht außen vor bleiben.


3 Mountain
5 Island
2 Evolving Wilds
1 Desolate Lighthouse
1 Kessig Wolf Run
4 Hinterland Harbor
4 Rootbound Crag
4 Steam Vents
1 Forest

2 Niv-Mizzet, Dracogenius
4 Thragtusk


4 Jace, Architect of Thought
2 Tamiyo, the Moon Sage
3 Bonfire of the Damned
4 Farseek
4 Pillar of Flame
4 Izzet Charm
4 Temporal Mastery
4 Think Twice


So sieht das Ganze dann aus, auf die wichtigsten Alternativen habe ich ja schon hingewiesen. Im nächsten Schritt benötigen wir ein Sideboard. Hierfür müssen wir uns zunächst klarmachen, welche Arten von Decks es überhaupt zu besiegen gilt:

1)
sehr aggressive Decks, zum Beispiel Zombies, rote Karten, Menschen
2)
grüne mittelschnelle Decks, die all die superstarken Karten wie Thragtusk beinhalten
3)
Kontrolldecks, meist weiß-blau, mit Terminus und Jace, Architect of Thought

Um dagegen bestehen zu können, schauen wir als Nächstes, welche Karten gegen welche Kategorie helfen:

1)
billige Kreaturenzerstörung, Blocker, Lebenspunktegeneratoren
2)
Gegenzauberei, passende Antwortkarten für die bekanntesten Probleme
3)
Gegenzauberei, möglichst schwer zu beantwortende Bedrohungen

Im Idealfall finden wir jetzt Karten, die in mehrere Kategorien passen:

Dissipate als derzeit bester Gegenzauber
Mizzium Mortars als billige Kreaturenvernichtung gegen die Aggrodecks, aber auch als spezifische Antwort für Problemkarten wie Olivia Voldaren oder überladen gegen Entreat the Angels
Huntmaster of the Fells als Aggrostopper, aber auch als besondere Bedrohung
Snapcaster Mage – Ja, ihr lest richtig. Nach dem Sideboarden kann man nämlich gewährleisten, dass es für die jeweilige Begegnung genug lohnende Flashback-Ziele gibt und dann stellt unser Freund hier direkt eine der besten Karten des gesamten Formats dar, weil er gleich gegen Decks aus allen drei Kategorien hilft: Blocker (plus Kreaturenzerstörung) gegen Aggro, Kartenvorteil gepaart mit Antwort/Gegenzauber gegen die grünen Decks sowie eine spontane Bedrohung mit integriertem Kartenvorteil gegen die Kontrolldecks.

Die letzten Plätze habe ich aktuell an Naturalize, Dispel und Memory's Journey vergeben und damit an recht flexible Antworten für Verzauberungen/Artefakte, Spontanzauber und Friedhofsspielereien. Das hat gerade in einer unbekannten Umgebung den Vorteil, dass man auch überraschend auftretende Probleme oft noch in den Griff bekommt.


Sideboard:

2 Snapcaster Mage
2 Huntmaster of the Fells
(Ravager of the Fells)

2 Memory's Journey
2 Naturalize
2 Dispel
3 Mizzium Mortars
2 Dissipate


Dieses Deck ist sicher nicht ganz einfach aufzutreiben, dafür aber auch auf jeden Fall stark genug, um bei dem einen oder anderen Turnier nicht nur vereinzelte Spiele zu gewinnen, sondern womöglich den Gesamtsieg davonzutragen. Damit das noch ein wenig wahrscheinlicher wird, hier ein paar Tipps zur Bedienung:

Das Deck spielt sich eigentlich recht geradlinig, sprich, am Anfang versucht man das Mana zu entwickeln und gegebenenfalls die Offensive des Gegners zu stoppen. Dabei hat man meist wenige Optionen und somit auch nur wenige Möglichkeiten, Dinge falsch zu machen. Interessant ist vielleicht der Umgang mit Temporal Mastery, wenn man die Miracle-Option hat. Hier sollte man sich nämlich zwei Fragen stellen: Kann ich erstens im Extrazug ein Land spielen? Gibt es zweitens irgendwelche anderen Karten auf meiner Seite, die davon profitieren? Der zweite Punkt schließt natürlich alle Karten mit ein, die man in diesem Zug zusätzlich spielt. Je intensiver man die Fragen bejaht, desto zwingender spielt man die Mastery direkt, was einen großen Teil aller Situationen beschreibt. Manchmal jedoch kann es richtig sein, das Mirakulum zu ignorieren, zum Beispiel falls man gerade eine Bedrohung (Planeswalker) legen wollte und erst in ein bis zwei Zügen genug Mana für beides hätte. In dem Fall gibt es die realistische Möglichkeit, den Planeswalker vorzuspielen und dann kurz darauf Temporal Mastery voll zu bezahlen, um so die Bedrohung mehrfach nutzen zu können.


Ebenfalls nicht immer einfach zu mirakulieren ist Bonfire of the Damned. Kontrolliert der Gegner keine Kreatur, erhält man hier bloß ein Blaze ins Gesicht, was den Gegner kaum stören dürfte, da wir nur selten genug Schaden entwickeln, als dass gerade diese drei bis sieben Punkte relevant sein sollten. Selbst zu Beginn einer Partie kann man hin und wieder auf ein Mirakulum verzichten, etwa um den Gegner zum Spielen weiterer kleiner Männer zu verleiten.

Zum Thema Mirakulum gehört immer auch Think Twice. Denn bevor man dieses spielt, sollte man sich jeweils Fragen, inwiefern man die Extrakarte gerade jetzt eigentlich benötigt beziehungsweise ob nicht ein mögliches Mirakel in einem anderen gegnerischen Zug mehr wert wäre. So kommt man manchmal zu dem Schluss, dass man Think Twice nicht auf Autopilot sofort verwendet, sobald das Mana zur Verfügung steht, sondern damit bewusst wartet.

Der letzte Punkt, den ich kurz ansprechen möchte, ist das Ausspielen der Länder 8–25. Prinzipiell hat man nämlich mit Izzet Charm und Desolate Lighthouse mehrere Karten, die eventuell Nutzen aus diesen nur bedingt benötigten Ressourcen ziehen können. Auf der anderen Seite hat man durchaus auch Verwendung für ebendiese Länder im Spiel: dickeres Bonfire, zusätzlich zu Temporal Mastery gespielte Bedrohungen oder ganz simpel weitere Niv-Mizzet-Aktivierungen. Hier gilt es – wie so oft – die Gesamtsituation abzuwägen. Mit einem Lighthouse etwa behält man sie eher auf der Hand, als wenn man gleich zwei Bonfires spielen möchte.

Ich hoffe, dass ihr genauso viel Freude am Wirken der richtig teuren (in vielerlei Hinsicht) Karten habt wie ich! In zwei Wochen schauen wir dann mal, was man so alles mit Meister Rakdos anstellen kann.

Bis dahin
Der MiDi




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