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Booster-Draft für Fortgeschrittene - Teil 2
Zielsetzungen
von Andreas "Zeromant" Pischner
06.12.2002

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...es folgt der Tragödie zweiter Teil...

Wir gehen nun also davon aus, dass ein Drafter in der Lage ist abzuschätzen, welche Karten prinzipiell stärker sind als andere. Mit diesem Wissen setzt er sich dann an den Tisch, öffnet das erste Boosterpack und nimmt die stärkste Karte heraus. Bei dem Booster, den ihm der Nachbar reicht, macht er es genauso, und dann wieder und wieder, bis der Draft beendet ist.

..nein, wohl eher nicht!! So haben die allerersten Drafter es vielleicht versucht, aber wir wissen ja nun, das dieses Verfahren zu einem fünffarbigen Kartenstapel führt, aus dem man einfach kein starkes Deck konstruieren kann! Welche anderen Faktoren bestimmen also die Kartenauswahl?

Man draftet unnütze Karten

In einem Boosterdraft bekommt man insgesamt 45 Karten. Davon werden üblicherweise gut die Hälfte schließlich im Hauptdeck landen. Einige Karten im Sideboard werden möglicherweise sinnvoll in bestimmten Matchups einzuwechseln sein, also gehen wir einmal von ca. 15 Karten aus, die wir draften, aber nicht spielen werden - also ein Drittel "unnützer" Picks! Was für Picks sind das, und wie kommen sie zustande?

Da sind zunächst einmal Picks in den Farben, die wir nicht spielen werden. Das klassische Draft-Deck ist zweifarbig (Drafts im Invasion-Block mit seiner speziell auf Vielfarbigkeit zielenden Struktur waren eine Ausnahme!), wobei eine dritte Farbe als Splash gelegentlich sinnvoll, oft notwendig, aber selten erwünscht ist. Ein Deck mit drei vollwertigen Farben ist üblicherweise das Ergebnis eines schiefgegangenen Drafts (Das kam im Odyssey-Block übrigens relativ häufig vor, da die unterschiedlich starken Farben in Torment und Judgment eine rechtzeitige Farbwahl sehr erschwerten), auch wenn in seltenen Fällen mithilfe einer Anzahl von Manafixern oder ähnlichen aus Constructed-Formaten abgeschauten Tricks die Manabasis für ein dreifarbiges Deck recht stabil werden kann (im Invasion-Block oft der Fall, und die dort gelegentlich möglichen Decks mit MEHR als drei Farben waren eine liebenswerte Besonderheit dieses Formats!) Es kann allerdings auch vorkommen, dass ein Spieler ein starkes einfarbiges Deck draften kann, wenn diese Farbe von den anderen Draftern weitgehend ignoriert wird, aber selbst in diesen Fällen lohnt sich normalerweise der Splash einer zweiten Farbe für einige ausgewählte Karten, um die Flexibilität des Decks zu erhöhen.

Der Splash

An dieser Stelle möchte ich einmal definieren, was ich unter einem "Splash" verstehe: Eine Farbe, die von nur ein bis drei, maximal vier Karten im Deck benötigt wird, die allesamt auch im späteren Spiel noch sehr nützlich sind, und die selbstverständlich jeweils nur ein Mana dieser Farbe benötigen.

Beispiele für gut splashbare Karten: Sparksmith, Treespring Lorian, Cruel Revival.
Beipiele für "suboptimale" Splashs: Pinpoint Avalanche, Festering Goblin, Nosy Goblin.

Als Faustregel empfehle ich, Splashs von einer Karte mit zwei Ländern dieser Farbe zu unterstützen (typische Manaverteilung: (8/8/2 oder 8/7/2) und Splashs von zwei oder drei Karten mit dreien (8/7/3 oder 7/7/3). Vier Karten qualifizieren sich eigentlich nur dann noch als Splash, wenn man qualitativ hochwertige Manafixer zur Verfügung hat (wie z.B. die Fetchlands) und/oder einige der gesplashten Karten auch ohne das Mana ihrer Farbe noch eine sinnvolle Funktion erfüllen (Cyclen für farbloses Mana, Morph).

Wie sehr ein Splash die Manabasis belastet, hängt offensichtlich auch davon ab, wie sehr man in den Hauptfarben auf zwei oder mehr Mana einer Farbe angewiesen ist.

Grundsätzliches Ziel sollte es also sein, ein zweifarbiges Deck oder gegebenenfalls ein zweifarbiges Deck mit einem verträglichen Splash zu draften!

Kategorien unnützer Karten

Am Ende wird man also normalerweise Karten aus drei Farben (von wenigen Ausnahmen in der dritten Farbe vielleicht abgesehen) nicht spielen können. Das ist die erste Kategorie "unnützer" gedrafteter Karten.

Die zweite Kategorie stellen diejenigen Karten dar, die normalerweise einfach zu SCHLECHT sind, als dass man sie spielen wollte - zum Beispiel Defensive Maneuvers (gut, diese Karte mag man in seltenen Ausnahmefällen einmal hereinsideboarden wollen), Syphon Soul, Elvish Patchcutter, Spy Network und der berüchtigte Break Open. In Onslaught machen diese Karten etwa ein Siebtel der Commons aus - und dabei sind Karten, die nur in bestimmten Stämmen gut sind oder nur gelegentlich aus dem Sideboard eingewechselt werden können, noch nicht einmal mitgezählt! Sehr wichtig ist auch der Umstand, dass manche Farben deutlich mehr von diesem Ausschuss erhalten als andere - in Onslaught tut sich da besonders Blau hervor.

Zuletzt sind da noch Karten, die man zwar spielen KÖNNTE, die aber schwächer oder ungeeigneter sind als vergleichbare Alternativen, die man besitzt: Der Nosy Goblin zum Beispiel, der einfach schwächer und uninteressanter als alle anderen Karten im Deck ist; oder der Symbiotic Elf, der zwar okay wäre, aber in das Deck mit den drei Wretched Anurid einfach nicht hineinpasst. Wie viele Karten man auf diese Art außen vor lassen kann, ist ein Indiz, wie gut der Draft gelaufen ist: Die Qual der Wahl ist hier ein gutes Zeichen!

Mathematik für Milchmädchen

Ein kleines Rechenexempel aus dem Hause Milchmädchen und co:

Für ein zweifarbiges Deck kann man nur etwa 40% (eben zwei Fünftel) aller Karten aus Onslaught gebrauchen. Okay, es gibt ein paar vereinzelte Artefakte und Länder, die diesen Anteil beeinflussen, aber in etwa stimmt es. (Karten, die man in seinem Deck NUR Cyclen oder morphen möchte, lassen wir jetzt auch einmal außen vor, da sie in einem gelungenen Deck nichts zu suchen hätten. Ja, abgesehen von dem Deck mit den beiden Lightning Rifts...) Davon kann man wiederum ein Siebtel als unspielbar abtun - sagen wir, ein Fünftel, wegen der zahlreichen Stammeskarten, die nur in bestimmten Strategien brauchbar sind, und wegen der reinen Sideboardkarten. Dann bleibt insgesamt noch etwa ein Drittel aller Karten als Kandidaten für das Hauptdeck übrig. Das sind bei 45 Picks FÜNFZEHN! Eindeutig zu wenig - wir benötigen knapp doppelt so viel!

Also müssen wir uns rechtzeitig entscheiden, welche Farben wir bevorzugt draften - denn das gleichmäßige Draften aller Farben führt ja offensichtlich zu nichts.

Milchmädchenrechnung Teil zwei: Gehen wir davon aus, dass das unspielbare Fünftel der Karten auch konsequent zuletzt in den Bootern übrigbleibt - dann draften wir effektiv nur noch mit drei 12-Karten-Boostern! Aus diesen 36 Karten müssen wir nun knapp 30 (mit ein bisschen sinnvollem Sideboard) ordentliche Karten für unser Deck draften. Das bedeutet Spielraum für weniger als zehn "verschenkte" Picks in den Farben, die wir nicht spielen - das ist nicht viel!

Bei allen Schwächen, die diese Rechnung hat, macht sie doch hoffentlich unmissverständlich klar, wie wichtig es ist, seine Farben rechtzeitig festzulegen.

Dabei ist Pick nicht gleich Pick: Ebenso, wie wir vereinfachend annehmen können, dass die schlechtesten Karten zuletzt in den Boostern übrigbleiben, ist es vernünftig davon auszugehen, dass die stärksten Karten ZUERST genommen werden (daher stammt auch die Klassifizierung starker Karten als "First Picks"). Bekanntermaßen beinflussen die stärksten Karten ein Spiel in besonderem Maße, also sind die frühen Picks jedes Boosters besonders wichtig.

Zielsetzung bei der Farbwahl

Damit können wir jetzt unsere Ziele bei der Farbwahl formulieren:

1. Wir wollen GENÜGEND brauchbare Karten in unseren Farben haben. Wir müssen also früh damit beginnen, Karten aus unseren Farben zu nehmen, damit wir erstens weniger Picks "verschenken", und zweitens andere Drafter damit davon abhalten, Karten aus unseren Farben zu nehmen, damit insgesamt mehr für uns übrig bleibt.

2. Wir wollen möglichst viele FRÜHE Picks in unseren Farben haben! Während der erste Punkt verlangt, dass man Farben findet, die am gesamten Drafttisch nicht überbelegt sind, ist es für diesen hier wichtig, dass man andere Farben als seine NACHBARN draftet, damit die besten Karten in unseren Farben aus den Boostern, die sie öffnen, bei UNS landen, und nicht bei ihnen.

Nachbarn hat man natürlich in beide Richtungen, aber die Vorderleute in der ersten Boosterrunde sitzen zweimal vor einem, die Hinterleute nur einmal, in der zweiten Boosterrunde - das macht es im Zweifelsfall wichtiger, sich mit seinen Vorderleuten zu vertragen, als mit den Hintermännern.

Noch eine Anmerkung zu den drei Boosterrunden: Tendenziell wird man in der dritten Boosterrunde die meisten Karten für sein Deck erhalten, in der ersten hingegen am wenigsten. Das liegt daran, dass alle Drafter zu Beginn noch ihre Farben suchen, während in der dritten Boosterrunde eigentlich alle ihre Farben gefunden haben sollten, so dass Fehlfarben-Picks kaum noch vorkommen. Wenn man also nach dem ersten oder zweiten Booster seine gedrafteten Karten überprüft und hochrechnet, wieviele spielbare Karten einem noch fehlen, dann sollte man diesen Umstand berückichtigen.

Komplikationen

Bevor ich im Einzelnen auf die Prinzipien der Signalgebung eingehe, noch ein Wort der Warnung: Selbst wenn Ihr noch so aufmerksam seid und alles richtig macht, KÖNNEN und WERDEN immer wieder Drafts ins Auge gehen. Auch Booster Draft ist zufallsabhängig! Die beiden störenden Faktoren sind:

Erstens die Kartenverteilung in den Boostern! "Normale" oder "typische" Verteilungen, wie man sie zu sehen erwartet, sind eigentlich schon eher die Ausnahme als die Regel. Einzelne Farben können in einem Booster - oder sogar in mehreren aufeinanderfolgenden! - ungewöhnlich stark oder schwach sein, was sowohl fehlende oder gar irreführende Signale erzwingen kann, als auch Drafter dazu verführen kann, ihre eigentlich bereits getroffene (und signalisierte) Farbwahl noch einmal zu überdenken. Außerdem kommt es immer wieder vor, dass die Booster an einer Hälfte des Tisches einfach stärker sind, als an der anderen - da kann man nix dagegen machen.

Zweitens die Mitspieler! Signale Geben und Lesen erfordert ein gewisses Maß an Draft-Kompetenz - Drafter, welche grundlegende Kartenbewertungen nicht kennen, werden häufig ein Chaos an ihrer Hälfte des Tisches verursachen. Hier hilft es, wenn man seine Nachbarn gut einschätzen kann, und nicht auf irreführende Picks hereinfällt. Mit etwas Glück kann man sogar davon profitieren, weil die stärkeren Karten oft nicht gedraftet werden - es bleibt aber eine haklige Angelegenheit. Beinahe noch schlimmer sind Drafter, die zwar eine ungefähre Vorstellung von der Spielstärke der Karten haben, aber das Prinzip des Signalisierens nicht verstanden haben und Farben draften, die eigentlich nicht für sie frei sind, oder unvermutet ihre Farben wechseln! Solche Drafter verderben sich meistens nicht nur ihre eigenen Decks, sondern auch die ihrer Nachbarn. Gegen diese "Farbenblinden" und Farb-Springer kann man leider nicht viel unternehmen. Sebst, wenn man das Problem bemerkt, ist es oft zu spät, sich umzustellen - besonders, da man aufgrund der ursprünglichen Annahmen ja bereits versucht hat, sich mit seinen Nachbarn auf der anderen Seite zu verständigen. Wenn man es dann doch tut, wird man häufig Teil einer Kettenreaktion, die mehrere Drafter in einer Reihe betreffen kann!

Eindeutige First Picks

Der erste Booster, den man aufreißt, kann oft bereits den Verlauf des Drafts zum großen Teil festlegen - man findet einen der sogenannten "Spoiler" wie z.B. Visara the Dreadful und draftet deshalb Schwarz, wenn es nur IRGENDWIE geht. Für viele Drafter ist es eine Erleichterung, eine dermaßen eindeutige erste Wahl zu haben: Nicht nur, weil sie eine sehr starke Karte bekommen, sondern auch, weil sie damit eine sehr starke Richtlinie für ihr weiteres Draftverhalten erhalten.

Nun ist Onslaught zwar ein besonders Spoiler-verseuchtes Format, aber trotzdem ist es bei Weitem nicht der Normalfall, dass man einen dermaßen offensichtlichen Pick beschert bekommt. In etwa der Häfte der Fälle allerdings findet man zumindest eine Karte im Booster, die einfach klar stärker ist als der Rest: Das muss kein Rare-Spoiler wie Visara ein, sondern kann auch ein Slice and Dice oder Centaur Glade sein, oder auch ein Sparksmith oder Cruel Revival in einem ansonsten unpektakulären Booster. In diesem Fall ist die Entscheidung immer noch einfach: Man nimmt halt die klar beste Karte. Basta! Alles andere ergibt keinen Sinn.

Ich betone das deshalb so sehr, weil ich tatsächlich bereits ein paar Mal erlebt habe, wie Spieler tatsächlich, um ein Signal zu geben, die klar beste Karte weitergegeben haben! Das ist natürlich (zumindest im BOOSTER-Draft) einfach nur Quatsch! Gut, es mag gelingen, dem Hintermann eine Farbe unmissverständlich zu signalisieren - und was hat man nun genau davon? Man selbst legt sich damit darauf fest, diese Farbe NICHT zu draften, ohne auch nur einen einzigen Booster des Vordermannes gesehen zu haben! (Und wie lustig wird es, wenn dieser dann genau dieselbe Farbe signalisiert...) So ganz nebenbei hat man sich natürlich die Gelegenheit entgehen lassen, eine starke Karte für sein Deck zu gewinnen. Und dafür hat man nicht einmal eine Garantie, dass der Hintermann keine der beiden eigenen Farben draftet, da er ja immer noch eine zweite Farbe nimmt...

Also: Wenn es eine eindeutig beste Karte gibt, wird die genommen, Punkt. Allerdings sollte man im Kopf behalten, ob es vielleicht eine klar zweitbeste Karte gibt, und in welcher Farbe sie ist, da der Hintermann sie sehr wahrscheinlich nehmen wird - wenn man zum Beispiel Slice and Dice über Cruel Revival genommen hat, bietet sich hier - wenn der Vordermann und die Booster es zulassen! - die Gelegenheit, bei den weiteren Picks sowohl Rot nach hinten abzuschneiden, als auch weiterhin Schwarz durchzulassen - damit hat man sehr gute Chancen, mit dem Nachbarn jeweils mindestens eine Farbe NICHT gemeinsam zu haben.

Ärgerlicher ist es zum Beispiel, wenn man z.B. Silvos, Rogue Elemental über Centaur Glade genommen hat - hier könnte nur absolut kompromissloses Abschneiden von Grün (was meistens gar nicht geht!) den Hintermann sicher davon abbringen, ebenfalls Grün zu draften - und selbst das kann schiefgehen, wenn dessen First Pick ebenfalls grün war. Trotzdem lohnt es sich auch hier offensichtlich nicht, BEIDE starken Karten durchzugeben. Und immerhin sitzt man ja die meiste Zeit VOR dem anderen Gründrafter. Wenn allerdings die nächsten paar Booster erkennen lassen, dass vor einem selbst auch bereits Grün herausgenommen wird, dann ist es höchste Zeit - Silvos oder nicht! - sich nach Alternativen umzusehen, denn wenigstens aus EINER Richtung sollte man starkes Grün erhalten, sonst hat das Ganze keinen Sinn.

Schwierige First Picks

Oft jedoch befinden sich im ersten Booster mehrere ungefähr gleich starke Karten in verschiedenen Farben. Jetzt wird es wirklich schwierig! Natürlich kann man die Karte, die bei einem international renommierten Kolumnisten eine 6,7 bekommen hat, über die beiden Karten draften, die nur eine 6,5 und 6,2 bekommen haben, aber das ist im Prinzip auch nichts anderes als Würfeln, da die Konsequenzen der Entscheidung bezüglich der Farbwahl minimale Stärkedifferenzen zwischen den Karten (wenn sie denn überhaupt so existieren)... deutlich überlagern werden. Stattdessen sind die besten Anhaltspunkte die Verteilung der Karten auf die Farben und die Kenntnis des Metagames.

Ja richtig - diesen Begriff kennen viele nur von Constructed-Formaten; er ist aber auch auf Limited anwendbar! Das Metagame eines Draft-Formats besteht aus den Farben, die bekannt schwach oder stark sind, sowie aus den Farbkombinationen, die bevorzugt gespielt werden.

Hier muss ich einmal kurz eine Diskussion über das "Tribal Theme" von Onslaught einstreuen: Kreaturen desselben Typs und Karten, die gut mit ihnen zusammenarbeiten, sind ein sehr wichtiger Aspekt im Onslaught Limited - so wichtig, dass Gary Wise seine Limited-Analyse für dieses Set zum ersten Mal NICHT nach Farben, sondern eben nach Stämmen geordnet durchführt... was allerdings, mit Verlaub, trotzdem kompletter Blödsinn ist (und mit Sicherheit nicht Garys Idee war, sondern wohl eher auf dem Mist der WotC-Leute gewachsen ist, welche die Eigenheiten des Sets noch stärker promoten wollen)! Ja, Stämme sind wichtig, aber Farben sind VIEL wichtiger - jedenfalls solange man seine Länder noch für rotes, grünes oder blaues Mana tappt, und nicht für Goblin-, Beast oder Wizard-Mana! Innerhalb der etablierten Farben spielen Kreaturentypen eine wichtige Rolle, und sie mögen auch die Farbwahl beeinflussen - aber es ist ganz bestimmt nicht so, dass man sich zuerst auf einen Stamm fixiert, und dann erst schaut, welche Farben man dazu nimmt.

Zurück zum Metagame: Das kann man sich durch eine ausführliche Analyse des Sets aneignen - oder man geht einfach ins Internet und schaut, was die Leute da so schreiben In Onslaught ist das vorherrschende Merkmal, dass Blau sehr schwach ist. Rot und Grün besitzen die meisten Commons im oberen Stärkebereich (und Sparksmith ist die mit Abstand stärkste Common), gefolgt von Schwarz. Weiß hat weniger Commons von First-Pick-Kaliber als Rot oder Grün, macht diese Schwäche jedoch durch die größte Anzahl spielbarer Commons wett.

Farbkombinationen

Was nun Farbkombinationen angeht: Die meisten Drafter versuchen, wenigstens eine Removal-Farbe für sich zu gewinnen (also Schwarz oder Rot). Die Konsequenz daraus ist, dass Kombinationen aus den anderen drei Farben recht selten sind - Grün-Blau wird noch am ehesten genommen, ist aber meistens das Ergebnis eines fokussierten Grün-Drafter, der sich recht spät für eine Zweitfarbe entschieden hat und dann das underdraftete Blau für späte Choking Tethers und ein paar Flieger, vielleicht sogar Crown of Ascenion (die eigentlich nur in G/U etwas taugt) aufgeschnappt hat, und eine Tempo-Beatdown-Strategie verfolgt. Blau-Weiß wird eigentlich mehr aus Gewohnheit als aus allen anderen Gründen gedraftet, da die völlige Hilflosigkeit dieser Farbkombination gegen Utility Creatures wie Sparksmith oder Wellwisher durch die Schwäche von Blau in diesem Set noch prekärer wird. Grün-Weiß wiederum wird generell gemieden, wenn es einem durch die Booster (und Nebenleute) nicht wirklich aufgedrängt wird - kein Removal (außer dem billigen, aber unvollständigen Pacifism), wenig Evasion und beinahe keine Finisher zwingen diese Farbkombination zu einer sehr unattraktiven "Einfach-viele-Viecher-legen"-Strategie.

Ebenfalls nicht allzu häufig ist übrigens Rot-Schwarz - nicht, weil es schlecht wäre, sondern weil es einfach besonders schwierig ist, beide Removal-Farben für sich zu vereinnahmen!

Rot-Grün ist ein wenig seltener zu erwarten, als in früheren Sets - es ist zwar immer noch eine beliebte Kombination, aber nicht mehr ganz so selbstverständlich wie früher. Der Grund dafür ist die besondere Beliebtheit des rot-weißen Archetyps, der benachbarte Gründrafter öfter auf die kaum schlechtere Alternative Grün-Schwarz ausweichen lässt. Neben Rot-Grün-Draftern hingegen entstehen oft weiß-schwarze Decks. Manchmal versuchen Drafter auch gezielt, das schwarz-weiße Kleriker-Deck zu draften, aber obwohl das eine gute Strategie sein KANN, habe ich festgestellt, dass viele Spieler sowohl die Stärke dieses Decktyps überschätzen, als auch sich viel zu früh darauf festlegen, bevor feststeht, dass die beiden Farben im dazu erforderlichen Maße für sie frei sind.

An Kombinationen mit Blau ist Rot-Blau am beliebtesten, da es in der Lage ist, relativ späte Lavamancer's Skills aufzuschnappen, die auf einem Wizard schnell ein Spiel dominieren können. Schwarz-Blau ist nicht ganz so verbreitet, aber trotzdem eine der beiden Optionen für Blau-Drafter, die nicht unbedingt als Notlösung zustandegekommen sind.

Leider stammt das beste Beispiel, das mir dazu einfällt, wie die Kenntnis bekannter Farbkombinationen den First Pick beeinflussen kann, aus einem früheren Format: Odyssey mit Torment (aber noch ohne Judgment). Dort wurde nämlich Weiß zum allergrößten Teil mit Blau gedraftet, ab und zu mit Schwarz, und selten bis nie mit Rot oder Grün. Blau wurde bevorzugt mit Weiß gedraftet, gefolgt von Schwarz, gelegentlich mit Grün und kaum mit Rot. In diesem Format konnte man, wenn man im ersten Booster drei starke Karten in den Farben Grün, Weiß und Blau gehabt hat, nach dem Picken der grünen Karte begründet darauf hoffen, dass man zwei Plätze hinter sich weder Rot noch Grün hatte! (HOFFEN. Nicht mehr!) Wenn dann noch der Vordermann es zuließ, hatte man mit etwas Glück eine exzellente Draftposition.

In Onslaught sind die Farbkombinationen, denke ich, weit weniger strikt als im Odyssey-Block. Trotzdem hat man einen Anhaltspunkt: Wenn man dem Hintermann eine grüne, weiße oder blaue Karte vermacht, wird er sich vermutlich auf die Suche nach Rot oder Schwarz als Zweitfarbe begeben - das sollte man im Hinterkopf behalten, und es mag ein Anreiz sein, sich selbst früh auf eine dieser beiden Farben festzulegen, denn (Beispiel): Grün weitergegeben und Rot abgeschnitten erzeugt vermutlich (NICHT sicher!) einen Grün-Schwarz-Drafter als Hintermann; Blau weitergegeben und Schwarz abgeschnitten einen Blau-Rot-Drafter. Aber leider sind da viel zu viele Unwägbarkeiten, als dass dieses Prinzip mehr als ein Anhaltspunkt sein könnte: Die Signale des Vordermannes, der First Pick des Hintermannes, Booster, die ein klares Signalisieren/Abschneiden nicht zulassen... und natürlich Draftfriseure

Andere Herangehensweisen

Ein anderer Anhaltspunkt ist die relative Stärke der Farbe für sich genommen. Ein Ascending Aven zum Beispiel ist sicherlich von ungefähr vergleichbarer Stärke wie ein Barkhide Mauler oder ein Swat, aber würde man bei einer Wahl zwischen diesen drei Karten den Aven nehmen wollen? Blau trägt in Onslaught selten mehr als zwei Drafter, also geht man ein erhebliches Risiko ein... Wenn auch nur ein anderer Blau-Drafter auf den vorigen zwei bis drei Plätzen sitzt, riskiert man, eine zu schwache Farbe zu draften. Ich würde den Aven in diesem Fall stecken lassen, auch wenn es natürlich lohnend wäre, von vornherein Blau zu draften und damit Blau, das allgemein nur sehr zögernd genommen wird, vielleicht für mich zu alleine zu vereinnahmen - aber das ist ein zu großes Risiko! Für einen Arcanis, the Omnipotent oder Quicksilver Dragon (also einen klar besten Pick) bin ich bereit, das Risiko einzugehen, aber nicht für einen Aven.

Man kann auch versuchen, bei seinem First Pick vermutlich überdrafteten Farben aus dem Weg zu gehen. Circa die Hälfte aller Booster bietet nichts besseres als eine Common als First Pick: Das bedeutet, dass tendenziell die meisten First Picks rot, grün oder schwarz sind. Daher lohnt es sich oft, zum Beispiel aus einem Booster mit Snarling Undorak, Solar Blast und Pacifism die weiße Karte zu nehmen, da man auf diese Art vielleicht beginnt, eine zumindest zu Beginn der ersten Boosterrunde noch nicht allzu umkämpfte Farbe für sich zu vereinnahmen.

Und schließlich IST da noch das Stammes-Thema. Die beiden umkämpftesten Stämme sind vermutlich Soldiers in Weiß und Beasts in Grün (Kleriker haben selten frühes Pick-Potenzial, Birds sind zu verstreut in den Farben und werden primär als Evasion anstatt als Stamm gedraftet, Wizards taugen nix, Goblins sind trotz Sparksmith weniger wichtig als rotes Removal, für Zombies gilt in Schwarz Ähnliches, Elfen sind zweite Wahl hinter Beasts und Illusions sind kein echter Stamm.) Oder anders formuliert: Beasts und Soldiers sind in ihren Farben, von wenigen Aunahmen abgesehen, die stärksten Karten. Wer keine Beasts bekommt, wird wahrscheinlich Grün aufgeben, und wer keine Soldiers kriegt, weicht entweder auf Kleriker aus oder gibt (wahrscheinlicher) Weiß auf. Insofern kann es sich lohnen, als First Pick eine Kreatur zu draften, um einen STAMM abzuschneiden - mit dieser Begründung drafte ich gerne z.B. Whipcorder über Smother oder Snarling Undorak über Solar Blast.

Aber letztlich gibt es keine eindeutige Lösung für das Rätsel des First Picks OHNE klar beste Karte - man kann zwar durch intelligente Überlegungen seine Chancen auf den im Nachhinein "richtigen" Pick etwas erhöhen, aber es bleibt doch Glückssache. Endgültige Entscheidungen können in jedem Fall frühestens gefällt werden, wenn man die ersten Booster vom Vordermann erhält - aber da dieser Artikel schon wieder sehr lang geworden ist, geht es damit dann im dritten Teil weiter!

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