miraclegames.de
Limited
Booster-Draft für Fortgeschrittene
Teil 5 - Der letzte Teil
von Andreas "Zeromant" Pischner
14.01.2003

Lange erwartet, ist er nun hier, der fünfte Teil dieser Reihe - auch wenn ich mir nicht so ganz sicher bin, ob er eher als der NÄCHSTE oder nicht doch mehr als der LETZTE Teil erwartet wurde...

Für die Gesamtlänge dieser Reihe muss ich mich nicht entschuldigen: Es gab einfach viel zu diesem Thema zu sagen (und ich habe bei weitem noch nicht alles angesprochen!). Ich möchte allerdings gleich selbstkritisch bemerken, dass der Aufbau dieser Reihe ein wenig zu wünschen übrig ließ - hätte ich sie als Gesamtheit geplant, wäre sie sicherlich geordneter und übersichtlicher ausgefallen; aber ich habe sie nun einmal Stück für Stück geschrieben.

Dabei ist im Wesentlichen eine Ansammlung von Fragestellungen und Diskussionansätzen herausgekommen: Wer sich einen "How-To-Draft"-Leitfaden erwartet hatte, hätte eigentlich enttäuscht sein müssen (Auch wenn zumindet Arne Bister offenbar mehr unmttelbaren Nutzen daraus gezogen hat, als ich es für möglich gehalten hätte! ). Mir ging es im Wesentlichen darum aufzuzeigen, welche Entscheidungen zu treffen sind, und welche Rahmenbedingungen sie haben und welche Konsequenzen. Diese Entscheidungen muss der Leser immer noch selbsr treffen, aber ich hoffe, es ist mir gelungen, zumindest seinen Blick zu schärfen.

Troubleshooting

Das gilt auch für den Bereich "Troubleshooting", den ich anzusprechen versprochen habe. Leider gibt es hier wieder kaum einfache Regeln, die einen aus einer verfahrenen Situation geleiten. Besonders schwierig ist es abzuschätzen, wann der Ernstfall denn nun tatsächlich eingetreten ist! Nichts von dem, was ich jetzt dazu sagen könnte, ist auch nur annähernd so hilfreich wie ein wenig eigene Drafterfahrung, daher verbleibe ich im Allgemeinen: Manchmal - oder, um ehrlich zu sein, häufig! - kommt es vor, dass der Draft einfach nicht glatt verläuft. Dabei gibt es zwei hauptsächliche Fälle:

1. Man findet einfach nicht rechtzeitig seine Farben

2. Die Farben, die man bereits gefunden zu haben glaubt, erweisen sich als die falschen!

In beiden Situationen steht man bereits mit dem Rücken zur Wand: Der eigene Kartenpool droht, kein starkes Deck zu ergeben, und man kann kaum darauf hoffen, dass es dem restlichen Tisch genauso ergeht - bestenfalls den benachbarten Spielern. Man muss also etwas unternehmen, und da die Ausgangssituation schlecht ist, erscheint es sinnvoll, Risiken einzugehen!

Was bedeutet nun aber "Risiko" konkret?

...Dreifarbigkeit!

Ich habe immer wieder geasgt, dass dreifarbige Decks in den meisten Formaten ein Zeichen dafür sind, dass der Draft schiefgegangen ist. Nun, der Draft IST also schiefgegangen - das ist die Ausgangssituation! Dabei darf man allerdings nicht zu früh in Panik verfallen - ein paar schwache oder ungewöhnliche Packs müssen noch nicht zwingend etwas zu bedeuten haben. Irgendwann jedoch ist der Punkt erreicht, an dem man einsehen muss, dass die bisher verfolgte Strategie keinen Erfolg verspricht!

Das ist üblicherweise gegen Ende des ersten Boosters, spätestens zu Beginn des zweiten der Fall! Wenn die Booster des ersten Durchgangs schwach, und/oder die Signale irreführend waren, KANN es passieren, dass man sich noch nicht einmal für eine einzige Farbe sicher entscheiden konnte. In diesem Fall wird man natürlich auf die frühen Picks der zweiten Boosterrunde setzen - und manchmal wird man auch da enttäuscht: Es sind einfach keine wirklich starken Picks vorhanden, oder nur in einer Farbe, die nun WIRKLICH nicht in Frage kommt - oder man nimmt zwei starke Picks in einer Farbe, nur um festzustellen, dass diese praktisch sofort wieder versiegt! Das Resultat: Man erfährt erst in der dritten Runde ganz überraschend, welche Farben denn nun eigentlich für einen frei sind - und dann ist es offensichtlich zu spät, ein gutes zweifarbiges Deck vollzukriegen.

Der zweite Fall tritt meistens entweder dann auf, wenn man von vorne eine Farbe ganz klar markiert bekommt und sich auch freudestrahlend darauf einstellt - und diese Farben dann urplötzlich versiegt, weil der Vordermann (aus welchem Grund auch immer, Frittentum oder zwingende Notwendigkeit) plötzlich in genau diejenige Farbe einsteigt, die er gerade noch unmissverständlich markiert hat...

...oder, wenn man als aktiver Drafter eine Farbe unmissverständlich nach hinten sperrt, um in der zweiten Boosterrunde belohnt zu werden, und die Hinterleute TROTZDEM genau in die gesperrten Farben einsteigen, so dass die gesamten Investitionen, die man in Farbe gesteckt hat, verlorengehen (besonders häufig ist das zu Zeiten des Odyssey-Torment-Judgment Formates mit Schwarz passiert).

Eine weitere Möglichkeit ist, dass man sich zwar mit seinen Nachbarn verträgt und daher gute frühe Picks in seinen Farben bekommt, die Farben aber am Gesamttisch überdraftet sind, und man sein Deck einfach nicht vollbekommt! Das ist ein bisschen ein Sonderfall, da es sich bei einer hohen Anzahl qualitativ hochwertiger Picks normalerweise doch lohnt, in diesen Farben zu bleiben und das Deck, soweit wie möglich, mit "Füllern" zu verlängern - Substandardkarten, die man normalerweise nicht als Maindeck-würdig erachten würde, oder gerade aktuell in Onslaught Cycle-Karten oder Off-Colour-Morphs. Wie gesagt, hier sind viele starke Picks entscheidend: Ein sechste Runde Rorix oder eine Visara entschädigt dann schon für den dritte Runde Goblin Sky Raider und den vierte Runde Syphon Mind...

Wenn Sealed-Decks Draft-Decks schlagen

Das Auffüllen eines zweifarbigen Decks ist jedoch ein relativ seltener Sonderfall, da Farben normalerweise nicht nur ausgerechnet an der gegenüberliegenden Tisch-Hälfte überdraftet sind. Häufiger sind eben die Fälle, in denen man sowohl qualitativ als auch quantitativ Probleme damit hat, ein zweifarbiges Deck zu draften. Sowohl Fall 1) als auch Fall 2) von weiter oben führen dann in die Dreifarbigkeit.

Was ist eigentlich so schlimm an dreifarbigen Draft-Decks? Ganz klar: Der Color-Screw! Man riskiert einerseits einige Spiele einfach wegzuwerfen, da man seine Handkarten nicht spielen kann. Außerdem wird man selbst in Spielen, in denen man sein farbiges Mana einigermaßen vernünftig zieht, manche Karten erst später spielen können, als ihre Total Mana Cost es vermuten ließe.

Zum erstgenannten Problem gibt es zu sagen: Risiko zahlt sich hier aus! Wenn man mitt einem zweifarbigen Deck zwar sein Mana flüssig zieht, aber einfach wegen unterlegener Kartenqualität trotzdem verliert, dann ist es sicherlich eine bessere Option, zu hoffen, dass man Glück mit seinem Mana hat und seine starken Karten spielen kann! WENN das nämlich der Fall ist, befindet man sich plötzlich enorm im Vorteil, da man auf starke Karten aus drei Faben zurückgreifen kann - da können nur wenige zweifarbige Decks mithalten! Ein guter Spieler hat einmal gesagt: Ein dreifarbiges Sealed-Deck, dass sein Mana problemlos zieht, ist einem Draft-Deck gegenüber zumeist klar im Vorteil. So ist das auch!

...aber man ZIEHT halt nicht immer sein Mana ordentlich. Im Gegenteil, Dreifarbigkeit wird einem in recht vielen Fällen zum Verhängnis! Deswegen versucht man immer erst einmal, ein starkes zweifarbiges Deck zu draften, denn damit hat man ingesamt bessere Siegchancen. Wenn die Sutuation allerdings verzweifelt ist, und man mit durchschnittlichen Draws kaum eine Chance hat, dann bietet das Dreifarbige Deck, WENN man schon Glück beim Ziehen hat, die besseren Ergebnisse!

Daher zum zweiten Problem: Beatdown ist für ein dreifarbiges Deck keine erfolgversprechende Strategie, da man sich selbst bei einigermaßen ordentlichen Mana-Draws nicht darauf verlassen kann, seine manaeffizienten Karten früh spielen zu können. Die Konsequenz ist, sein Deck auf Kontrolle auszurichten: Defensive Karten über offensive zu nehmen, und die stärksten Effekte aus drei Farben in das Deck zu integrieren, um den Gegner overpowern zu können (sind sie nicht herrlich, diese Anglizismen, ohne die ein Magic-Artikel einfach nicht auskommen zu können scheint? )!

Dabie versteht sich von selbst, dass man nach Mäglichkeit Karten, die doppelt Mana in einer Farbe kosten, vermeidet - es sei denn, sie sind eben jene Spoiler, mit denen man das Spiel zu gewinnen hofft. Wenn man es beim Draften irgendwie auf die Reihe bekommt, sollte man versuchen, zumindest eine völlig ausgeglichene Farbverteilung (6/6/6 Länder) zu vermeiden, sondern eine Haupt- und zwei Nebenfarben (z.B. 8/5/5) oder zwei Hauptfarben und eine Nebenfarbe (z.B. 7/7/4) zu erzeugen, indem man billige und manaintensive Karten nicht in allen Farben nimmt. Selbst eine leichte Gewichtung wie 7/6/5 zahlt sich nach meiner Errfahrung aus, wenn sie dem Kartenpool angemessen ist.

Dreifarbig draften ist also die "Lösung" für beide Problemfälle: Im ersten Fall (keine feststehende Farben) greift man eben auf die Uralt-Methode zurück, die besten Karten aus jeder Farbe zu greifen und diese Auswahl bis zum Ende auf drei zu reduzieren; im zweiten Fall (Farben versiegen) nimmt man eine dritte Farbe, die einem jetzt angeboten wird, zu den beiden bereits gewählten hinzu.

Und dann muss man nur noch Glück haben

Hatepicks

Zum Abschluss dieser Serie nch ein paar Worte zu Hatepicks. Ich habe ja bereits im vorigen Teil angesprochen, dass man auf weniger wichtige Hatepicks verzichten sollte, wenn man dadurch seine Chancen auf erfolgreiche Kommunikation mit seinen Nachbarn erhöhen kann. Generell ist Hatepicken eine überschätzte Strategie, da man gar nicht mit Sicherheit gegen den Spieler, der die Karte erhielte, spielen muss!

Trotzdem gibt es Situationen, in denen Hatepicks sinnvoll sind:

Sideboardkarten. Sie kommen oft relativ spät herum, da man zunächst einemal Karten für sein Hauptdeck nimmt, das man ja in jedem Spiel benutzt. Wenn man zum Beispiel in Onslaught Schwarz/Blau draftet, und es kommt in der ersten Boosterrunde ein Piety Charm vorbei, dann plädiere ich normalrweise dafür, ihn durchzulassen - der Charm ist zwar spielbar, macht aber das Deck desjenigen, der ihn erhält, nicht um so viel stärker, dass es sich lohnen würde, ihm seine angestrebte Farbe abzuschneiden und damit Verwirrung zu stiften. Wenn es sich hingegen um einen Disciple of Grace handelt, der sicherlich absolut gesehen nicht deutlich stärker ist, sollte man diesen mit Hinblick auf die beiden Wretched Anurid, die man bereits besitzt, vielleicht lieber herausnehmen... Genau anders herum liegt der Fall übrigens, wenn man R/U draftet: Hier muss man einem potenziellen Gegner ja nicht unbedingt eine einfache Antwort für die eigenen Lavamancer's Skills auf dem Präsentierteller überreichen... Ein wichtiges Kriterium ist also, wie sehr die Karte dem eigenen Deck tatsächlich schadet!

Spoiler. Vorneweg: Die meisten Hatepicks von Spoilern, die gemacht werden, sind FEHLER! Da so starke Karten sich zumeist nicht allzulange in Packs befinden, kann man normalerweise erwarten, dass für das eigene Deck auch eine sehr starke, wenn auch nicht vergleichbare Karte vorhanden ist. Auf diese starke Karte zu verzichten, um einem potenziellen Gegner die stärkere Karte zu versagen, zahlt sich nicht aus! Das eigene Deck spielt man in jeder Partie, gegen das Deck dieses Spielers möglicherweise gar nicht! Nur wenn in einem Pack wirklich nichts Besonders mehr für einen selbst drin ist, ist der Spoiler-Hatepick richtig.

Starke Karten. Ähnliches Prinzip, jedoch eine Stufe niedriger: Die beste Karte im Pack ist zwar kein Spoiler, aber trotzdem deutlich besser als die Kandidaten in den eigenen Farben, die lediglich spielbar sind. Hier lohnt es sich zu wissen, ob man das eigene Deck bereits vollbekommen hat: Wenn man den dritten Birchlore Rangers sowieso nicht mehr ins Hauptdeck spielen würde - und es gibt wohl nur extrem seltene Fälle, in denen man ihn hereinsideboarden würde! - dann braucht man ihn auch nicht mehr zu nehmen! Hier kann man also beruhigt den Ascending Aven hatepicken.

Die allerletzten Picks: Hier findet sich nichts mehr, was man selbst jemals spielen oder sideboarden wollte? Dann nimmt man selbstverständlich alles auch nur theoretisch verwendbare heraus.

Rarepicks: Nun, das ist ein Thema für sich Meine Artikelserie hat jederzeit vorausgesetzt, dass jedermann rein ergebnisorientiert draftet - was in der Realität ja durchaus nicht immer der Fall ist! Wenn ich beginne, über meine Erfahrungen mit Magic Online zu schreiben, werde ich dieses Thema sicherlich irgendwann ansprechen.

Der dumme Hatepick: Der muss nun aber erwähnt werden! Manchmal nimmt man, rein aus Gewohnheir, als einen der letzten Picks eine unter bestimmten Umständen spielbare Karte. Zum Beispiel ist da diese Crown of Awe, die ja durchaus einen gewissen Nutzen hat... Aber man selbst draftet Blau-Grün?? Selbstverständlich lässt man diese Karte drin! Vielleicht gelangst sie ja ins Maindeck eines zukünftigen Gegners, dann hat man aller Wahrscheinlichkeit nach einen Vorteil davon! Schaden kann einem die Karte jedenfalls nicht - von extrem unwahrscheinlichem Kombo-Potenzial mit Slice and Dice oder Starstorm einmal abgesehen...)

Und damit ist es jetzt endlich geschafft, diese Artikelreihe ist beendet!! (Puuuh.)

...die nächste kann kommen!!

[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Andreas Pischner

[11.04.2023]Aus den Archiven: R.I.P., Damage on the Stack
[09.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (5/5)
[05.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (4/5)
[02.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (3/5)
[28.09.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (2/5)


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite