Ich habe die letzten Tage damit verbracht, meine Kartenbestände aus knapp zehn Jahren Magiczockerei zu sichten und zu sortieren – das wollte ich schon vor Monaten machen, wusste aber schon warum ich das immer aufgeschoben habe – überall hatten sich Karten versteckt: Schrank, Schubladen, Kisten, Ordner und immer so weiter: am Ende bin ich auf über 4000 Rares und entsprechend Uncommons und Commons gekommen. Ihr kennt das wahrscheinlich. Jetzt nähert sich das Ende der Semesterferien wieder einmal recht bedrohlich und tausend Dinge wollen noch erledigt werden. Hausarbeit! Von "noch ewig Zeit" ist mittlerweile nicht mehr viel übrig geblieben. Aber dafür habe ich jetzt alles sortiert hier und mein Zimmer ist voller Türmchen aus Magic-Karten.
Während der Auszeit von PlanetMtG habe ich mich unklugerweise mal mit einer Mail bei Georg, Thorsten und Moritz gemeldet. Der Georg, der Schurke, hat das prompt ausgenutzt, und mir einen Artikel aufs Auge gedrückt. Und da mein letzter Artikel irgendwo auf meiner Festplatte herumfragmentiert (DM Bericht 2004), trotz vollmundiger Ankündigungen von meiner Seite "kommt die Tage!", konnte ich jetzt ganz schlecht absagen. Worum geht es hier? Toll was erzählen zum Metagame in Standard oder den neuen Editionen kann ich euch nicht.
Also steht das hier eher im Zusammenhang mit meinem letzten Artikel hier:
Scoop, oder was es bedeutet, kein Pro mehr zu sein.
Was das bedeutet, kann ich heute besser beurteilen – der Artikel ging mehr darum, weshalb ich vor einem Jahr überhaupt aufgehört habe. Ursprünglich wollte ich noch gelegentlich Turniere spielen, Prereleases und so, aber ich habe gemerkt, dass es für mich nur entweder oder gibt. Wenn ich ein Spiel spiele, dann richtig und mit vollem Einsatz und das habe ich lange genug getan. Das habe ich auch in Amsterdam und auf der DM gemerkt (meine beiden quasi Comebacks) – ich habe Fehler gemacht, die ich früher nicht gemacht hätte und war insgesamt schlecht vorbereitet; das macht dann weniger Spaß - wenn man Besseres gewohnt war.
Wobei, die DM war zumindest im Limited mit einem glücklichen 6-0 recht erfolgreich für mich, auch wenn ich die Punkte dann im Constructed mit 1-5 gleich wieder unter die Leute gebracht habe.
Die letzte große Versuchung zum Wiedereinstieg war dann die Mail von WotC, dass ich für die WM in San Francisco qualifiziert bin – hätte ich fliegen sollen? Ich hab eine Weile darüber gegrübelt, aber aus zwei guten Gründen habe ich es dann nicht getan – keine Chance auf gute Vorbereitung fürs Turnier und die hohen Kosten für den Flug. War wohl auch richtig. Somit bleibe ich weiterhin verschollen, wenn ich ein Comeback auch nicht komplett ausschließen würde – so als arbeitsloser Akademiker dann nach dem Studium.
Felix hat vor einer Weile mal einen Artikel mit Pro Tour Anekdoten geschrieben und auch wenns nicht leicht wird, die Geschichten wieder zusammenzusetzen – ich werde mal etwas in meinen Logfiles kramen, Chronologie ist für Anfänger, also bunt gemischt:
New York, 9/11 2001
Ist jetzt auch schon wieder drei Jahre her, aber hat natürlich nichts von seiner Bedeutung verloren. Als die Welt auf Manhattan und die brennenden Türme des World Trade Centers geblickt hat, saßen irgendwo in den oberen Etagen des Pennsylvania Hotels, gegenüber vom Madison Square
Garden, vier Magicspieler und wollten doch bloß an diesem Tag nach Hause fliegen. Stephan Valkyser, Peer Kröger (unser Team: Lyskavermaden, ehrbarer Platz 13), Marco Blume (hatte gerade zum ersten Mal mit Phoenix Foundation die Team PT gewonnen) und ich waren gestrandet in New York, fast alle anderen hatten die Stadt bereits am Montag verlassen – doch wir wollten den einen Tag noch für etwas Sightseeing nutzen – wofür wir später dann reichlich Zeit hatten (eine ganze Woche hingen wir in NY fest). Diese eine Woche in NY im Ausnahmezustand war schon, so zynisch das klingt angesichts der Geschehnisse, recht lustig. Ich kam mir mehr wie ein Außenstehender vor, der durch eine komische Verkettung von Ereignissen zufällig gerade in der Stadt war, und drum herum spielte alles verrückt. Unterhaltsam war es insbesondere durch Marco und Peer. Stephan und ich waren eher so die ausgleichenden Kräfte, während die anderen beiden die Gegenpole bildeten: Peer mit Tendenz zum hysterischen "Lasst uns nach Mexiko mit dem Zug fahren, wir müssen hier raus! Oder mit dem Schiff nach Europa!" und Marco, wie immer, gelassen und ruhend in einem Kosmos, wo ausser Essen nichts wirklich wichtig ist – erste Amtshandlung von Marco am 11. September dann auch: Einkauf bei Dunkin Donuts unten an der Ecke vorm Hotel.
Boston, Team 2002
Was in der Vorbereitung gut angefangen hatte, endete schließlich im 1-5 Desaster. Ich spielte mit Andrew Cuneo und Andrew Johnson zusammen, beide hatten in den Jahren zuvor zweimal Top 4 erreicht als CarAcrobaticTeam (mit Aaron Forsythe) und im Rückblick bewundere ich Aaron wirklich – keine Ahnung wie er das mit den beiden Nasen gepackt hat! Beim Stand von 1-2, also mit dem Rücken an der Wand, trafen wir auf das Team von Ben Seck (TBS), respektable Spieler, aber im Ernst – die sollte man schon schlagen. Um die Spannung zu erhöhen, habe ich mir dann einen einzigartigen Fehler erlaubt – es war das 2. Sealed Deck des Turniers und ich hatte 2 identische Deckboxen mit dabei (schon sehr clever). Also kam es, wie es kommen musste und als ich meine Starthand zog, hatte ich plötzlich schwarz-grüne Karten wo eigentlich rot-grüne sein sollten. Also Schiedsrichter gerufen, Situation erklärt, dumme Blicke von den Gegnern und noch blödere von meinen Teammates bekommen und schon lagen wir 0-1 hinten, bevor es richtig angefangen hatte. Natürlich war ich dann plötzlich der Arsch der Schuld war an allem, auch wenn das keiner so gesagt hat. Eins war danach jedenfalls klar – Fehler sind immer ärgerlich, aber im Team sollte man sich echt zusammenreissen, da verbockt man es gleich für drei.
Barcelona, 2001
Als Kai und ich im Halbfinale gegeneinander spielten war die Atmosphäre ingesamt sehr entspannt. Schiedsrichter war glaube ich Gis Hoogendijk, der das auch eher locker sah und wir hatten vor dem Spiel bereits einen Preissplit vereinbart, von daher war der Druck eher gering. Also
zockten wir so fröhlich drauflos. Und als ich gerade zum 1-1 ausgeglichen hatte, kam plötzlich Jeff Donais von der Seite rein "can I talk to you for a second?" und hinter der Bühne zeigten mir dann Jeff und Thomas Bisballe, der Head Judge, eine meine Karten (Phyrexian Slayer), die wohl unabsichtlich im Deck meines Viertelfinalgegners gelandet ist. Ich hatte also soeben zwei Spiele mit einem illegalen Deck von 39 Karten gespielt! Noch dazu ohne eine wichtige Karte gegen Kai, weil schwarzer Flieger, aber das ist ein anderes Thema, absichtlich war es in keinem Fall. Ich hatte dann Glück und durfte weiterspielen, für einen Moment hatte ich schon gedacht, sie werfen mich jetzt raus – aber in den Top 8 gelten die normalen DCI Regeln nicht, soviel ist mal klar (dafür gibt es reichlich Beispiele aus der PT Geschichte). Witzig an der Sache war eigentlich nur, dass Kai und ich es beide nicht bemerkt haben – in jeder Swiss Runde hätte ich es definitiv gesehen, da ich sowohl mein eigenes Deck als auch das des Gegners zähle vor dem Spiel – so als Pro macht man sowas nun mal.
Dabei fällt mir der Artikel von Rainer Jurk hier ein – ich fand den recht amüsant, auch weil einiges an Wahrheit dran ist, wie auch schon Justus in den Kommentaren bemerkt hat. Die meisten Sachen haben eine praktischen Ursprung (Karten mischen in der Hand, Über-den-Tisch-Wischer – um auch ganz bestimmt nur eine Karte zu ziehen, usw.), aber wenn sie übertrieben werden von Leuten die keine Ahnung haben, wirkt es schon sehr albern.
Madrid, 2000
Wer mal Necrodonate gespielt hat, weiß wie mächtig dieses Deck zu seiner Zeit war. Letztlich hatten normale Decks einfach überhaupt keine Chance dagegen. Kurz vor dem Grand Prix in Madrid hatte YourMoveGames eine erste Version von dem Deck gespielt und uns war schnell klar, dass es keine Alternative gab. Eigentlich müsste es jeder spielen. Doch wie das in Magic nun mal so ist (zumindest war es früher so) – das interessiert die Leute nicht die Bohne! Und so war Madrid schließlich leichte Beute für die Necrodonate Decks vor Ort. Wenn man ein sehr mächtiges Deck spielt, kann man im Prinzip nur gegen sich selbst verlieren – diese Möglichkeit muss man dann natürlich auch nutzen. Beim Stand von 5-0 traf ich auf Tony Dobson, der immer noch sein altmodisches Necropebbles (Vorläufer von Necrodonate) spielte, welch ein Amateur! Spiel 1 lief so vor sich hin und schließlich bekam ich eine Necropotence auf den Tisch und überlegte, wieviele Karten ich beiseite legen sollte. (Eigentlich nicht sonderlich komplizierter Vorgang, aber ich wollte besonders toll spielen). Und so sagte ich am Ende "I pay 7". Tony guckte auf seinen Block, sah mich bei 7 Leben, und fragte "are you sure?" "yup", nur um mich dann zu informieren, dass ich mich nach Regelauslegung gerade umgebracht hatte. Nun ist Tony ein netter Kerl und nicht besonders ehrgeizig (sonst wäre er wohl auch erfolgreicher gewesen) und hat mir erlaubt, die ganze Sache zurückzunehmen – Top 8 haben wir zum Glück beide gemacht. Da hat dann so ein Spanier mit Necrodonate gewonnen. Carlos Barrado, ist in Berlin meiner Meinung nach wegen Cheating rausgeflogen, tja. Roadtrip!
WM Toronto, 2001
Für die WM in Toronto hatten Kai und ich uns frühzeitig bei Gary Wise einquartiert um professionelle Vorbereitung zu betreiben. Letzlich hat die ganze Chose dem Team wenig gebracht – John Ormerod wurde 9. (bzw. 8. als David Williams aus den Top 8 flog wegen
markierter Karten, Pokerspieler halt), aber der Rest des Teams landete keine großen Ergebnisse, doch spaßig waren die Wochen in jedem Fall. Ich unternahm einen frühen "Super-Size-Me!" Versuch mit nordamerikanischer Ernährung mit dem Resultat, an einem Tag wegen "serious constipation" zum Drugstore zu gehen, nur um zwei Tage später wieder am Schalter zu stehen, dieses Mal jedoch wegen "massive diarrhoea". War schon prima. Paar Tage später hat Gary uns dann die super Hamburger mit "gravy sauce" in seinem Lieblingsimbiß nähergebracht, oder war das davor? Brian Selden, Ex-Weltmeister und dilletantischer, aber unbesorgter Autofahrer war auch dabei und hätte uns um ein Haar auf irgendeinem Highway Richtung GP Columbus in die ewigen Jagdgründe geschickt – bei seinem Versuch, von ganz links, über drei Spuren noch die Ausfahrt zu erwischen. Dann waren wir noch mit Randy Buehler, der für zwei Tage vorbeikam und übrigens furchtbar schnarcht, also wirklich heftigst (wir haben alle bei Gary im Keller gepennt), in jedem Fall waren mit dem bei einem Baseball Spiel der Toronto Blue Jays. Heissen die so? Im Ernst – Baseball ist mit das langweiligste, was man sich jemals in einem Stadion angucken kann, unerträglich. Aber Gary und Randy hat es ganz gut gefallen, glaube ich.
Nizza, 2002
Auf der Pro Tour ist auch einiges passiert, z.B. wie Kai frecherweise im Feature Match gegen mich eine 1-Land Hand behalten hat um dann in Runde 7 einen Angel of Retribution zu spielen, aber das ist nebensächlich und verdient keiner weiteren Beachtung (wenn doch – siehe Coverage).
Nein, beachtlich waren wieder die Amerikaner. Allen voran Alex Shvartsman. Gegen den spielte ich im Masters in der 2. Runde. Aus Gründen, ja aus welchen Gründen eigentlich? In jedem Fall hatte ich für das Masters keine Teammates mehr und konnte, musste, so mein eigenes Deck bauen. Da habe ich einfach mein Lieblingsdeck gebaut – 18 Counterspells, 26 Länder (Gletscher!), Kartenzieher, paar Powder Kegs, Gaea's Blessings und einen Mann, der die Arbeit macht: Herr Morphling. War schon ein prima Deck, aber es gibt unendlich viele Szenarios die ganz furchtbar sind und nie, nie eintreten dürfen, wenn man sowas spielt. Zum Beispiel Dinge die man nicht countern kann, wie Barbarian Ring oder Urza's Rage. Die muss man gleich vom Lifetotal abziehen bevor es losgeht, sonst wird das nix. Gut ist aber, wenn man auf Amerikaner trifft. Erste Runde hatte ich den Brian Hegstad vor mir sitzen, das war natürlich leicht und er musste sich der Old School beugen. Dann, wie schon gesagt, Alex. Der spielte Sligh und wir hatten ein arschknappes erstes Spiel in dem ich auf einem Lebenspunkt rumruderte und dann einfach Morphling spielte, er würde mich ja eh gleich mit Ring oder Rage plätten, keine Frage. Doch es kam nix und ich konnte mein Glück kaum fassen als ich ihn schließlich 2-0 besiegt hatte – bis ich seine Deckliste sah. Er hatte mal wieder die Zeichen der Zeit verpennt und sein Deck nicht den aktuellen Bedürfnissen angepasst – jedenfalls war da nix drin, was ich nicht einfach countern konnte. Nun ja, mein Ende kam dann in der nächsten Runde gegen Kai mal wieder, der gegen alle Gesetze der Wahrscheinlichkeit einfach mit Kombo gegen meine Countermauer gewann. Aber so isser halt.
Boston, 2003
Meine letzte Pro Tour. Die allerletzte war dann Amsterdam. Aber Boston war Team und von daher natürlich viel bedeutender. Nach einem wilden Lauf durch euphorische Siege gegen gute Teams
und bittere Niederlagen gegen Frisöre standen wir (mit John Larkin und Sam Gomersall als JC Experience) in der letzten Runde gegen das Böse: Mike Long mit seinen beiden einzigen Freunden, Justin Schneider und Mike Soundso. Justin hatte mich mal bei einem Sideevent auf der Pro Tour Mainz (letztes Jahrtausend) beschissen und zu Mike Long muss man ja nix mehr sagen. In jedem Fall war klar, wir kämpfen nicht nur für uns – nein hier ging es um viel mehr. Mir war das jedenfalls klar, meine Teammitglieder betrachteten dieses Spiel glaube ich als reguläres Match, Sam zockt wohl sogar gelegentlich mit Justin Schneider – was unerträglich ist! Also hab ich wenigstens mein Bestes gegeben um dem Spiel Würde zu verleihen: Trash Talk gegen Mike Long und immer nachsetzen wenn er am Boden liegt! Hat auch gewirkt, das Glück war mit uns und Mike screwed – am Ende war er derart angepisst, dass ihm sogar die Karten aus der Hand gefallen sind. Feine Sache. John hatte dagegen schnell verloren (um es spannend zu machen) und Sam hat es dann nach Hause geholt und uns den 5. Platz bei der PT gesichert. Zu Boston habe ich auch mal wieder einen umfangreichen Bericht geschrieben, wer Interesse hat findet ihn auf StarCity:
PT Boston - Part I
PT Boston - Part II
So, fürs erste muss das mal reichen, wenns es euch gefällt kann ich ja noch an Vol. 2 basteln. Dafür gibt es ja jetzt die tolle Bewertungsfunktion für Artikel hier – hui, zerreisst mich! Ansonsten Grüße aus Bayreuth, bis die Tage!
Patrick
Noch einer in eigener Sache: Meine komplette Sammlung ist momentan auf ebay, schaut mal rein!
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